In Europa führte auch die Kirche
alchemistische Versuche mit Pulvermischungen durch. In wie weit sie dabei von
orientalischem Wissen beinflußt war,
lässt sich heute nicht mehr belegen. Um 900 kamen
regelmäßig Handelsreisende aus Persien und dem vorderen Orient
nach Aachen, also ist hier ausreichend Zeit für koplexe
Verständigung. Angemerkt sei hier, dass auch beim Bau des Aachener Doms
ab 900 Gelehrte aus dem Orient mitwirkten (man erkennt deren Zeichen auf dem
Boden). Wenn nun aber selbst Baumeister den langen Weg in Kauf nahmen, ist
unwahrscheinlich, dass nicht auch Wissenschaftler in Europa arbeiteten.
Im Freiberger Franziskanerkloster soll es eines
Tages (um 1259) beim Schlagen von Schwarzpulver in einem Mörser
angeblich auch zur Explosion gekommen ein, bei der das Pistill in die Decke
des Mischungsraums getrieben wurde.
Ab da führten die Mönche Experimente mit Pulver festgelegter
Zusammensetzung (6 Salpeter, 2 Kohle, 1 Schwefel hatten sich als schnellst
brennend herausgestellt) in einseitig verschlossenen Rohren durch, in welche
das Pulver gefüllt wurde, bevor das offene Ende mit einem Pfropf
verschlossen wurde.
Durch ein Spuntloch wurde
die Ladung mit einem glimmenden Holzstab entzündet und ein Schlag von
Rauch und Feuer fuhr aus dem Lauf. Im Lauf befindliche Objekte wurden mit
ungeheurer Geschwindigkeit herausgeschleudert. Die Freiburger hatten also
nicht im wesentlichen das Pulver "erfunden", sondern seine
Anwendung erforscht: Das Geschütz, den Mörser.
Eine recht oft in kriegstechnischen Handbüchern
erwähnte Rezeptur nennt sechs Teile Salpeter, einen Teil Schwefel und
einen Teil Lindenholzkohle als ideales Mengenverhältnis.
Diese Bestandteile des Schießpulvers wurden zunächst in
Pulverstampfen (muldenförmige Tröge), die entweder handbetrieben
mit federnd aufgehängten Stampfbalken arbeiteten oder durch
Tiergöpel, Tret- oder Wasserräder angetrieben wurden, pulverisiert
und gut vermengt. Um einer Entzündung infolge Reibung vorzubeugen -
immer wieder flogen Pulvermühlen in die Luft - und gleichzeitig das
Pulver zu körnen, feuchtete man es mit Wasser, Essig, Wein, Branntwein
oder mit »Mannesharn« an. In der Regel betrug die Stampfzeit bei
guter Pulverqualität bis zu dreißig Stunden.
Pulvermacher stellten Sprengstoff her, der
hauptsächlich als Treibmittel für Geschosse verwendet wurde. Das
älteste Schießpulver ist das »Schwarzpulver«, ein
Gemenge aus pulverisiertem Salpeter, Schwefel und Holzkohle. Der erste
sichere Hinweis auf die Sprengkraft des Schießpulvers im christlichen
Abendland findet sich in den Schriften 1267 des in Paris lehrenden englischen
Philosophen und Theologen Roger Bacon, allerdings läßt
sich die Verwendung von Schießpulver als Treibmittel in
»Büchsen« in Europa erst nach 1313 nachweisen. Rechnungs-
und Urkundenbücher von Städten wie Aufzeichnungen von
Büchsenmeistern des 15. ]ahrhunderts geben
Einblick in die Fertigungsverfahren von Schießpulver.
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Zunächst war nur das sogenannte
Mehlpulver als Gemenge von Salpeter, Holzkohle und Schwefel bekannt, das
wegen des Mangels an Luft zwischen den einzelnen Pulverteilchen nur sehr
langsam abbrannte. Um eine raschere Verbrennung zu erreichen, versuchte man
das Pulver zu "körnen", was um1420 zum ersten Mal gelang. Der
Salpeter wurde durch Feuchtigkeit aufgelöst und bildete so eine optimale
Bindung zwischen den übrigen Bestandteilen des Mehlpulvers. Zerschlug
man einen solchen Pulverkuchen, wenn er trocken war, so entstanden viele
kleinere und größere unregelmäßige Körnchen. Mit
diesem »Knollenpulver«, das ziemlich resistent gegen Feuchtigkeit
war und beim Zünden weit heftiger reagierte, hatte die Pulverherstellung
einen Stand erreicht, der jahrhundertelang kaum
wesentlich verbessert wurde.
Der
ständig steigende Bedarf an Pulver sorgte zu Beginndes
15. Jahrhunderts für die Entstehung der ersten Pulvermühlen, da die
Pulvermacher und Büchsenmeister in ihren Handmörsern nur geringe
Mengen herzustellen in der Lage waren. Die Kunst der Zubereitung des
Schießpulvers lag in der Dichte und im Mischungsverhältnis, das je
nach Verwendung als Kanonen-, Musketen-, Flinten-, Pistolen- und Sprengpulver
schwankte und außerdem von Land zu Land verschieden war.

Später
setzte man für diese Arbeit Walzmühlen ein, sogenannte
Kollergänge mit aufrecht stehenden, mühlsteinähnlichen
Läufern aus Marmor, was die Explosionsgefahr minderte. Den verdichteten
Pulverzusatz preßte man anschließend zu
Pulverkuchen, zerkleinerte diesen grob und brachte ihn in eine
Körnmaschine, wo er zerrieben und gesiebt wurde.
Abschließend
mußten die feuchten Pulverkörner
entweder an der Luft im Freien oder in Trockenhäusern (Dörrstuben)
getrocknet werden; vielfach wurden sie auch noch zusätzlich in
rotierenden Trommeln poliert. Das fertige Schießpulver verpackte man in
mit Zinnfolie ausgelegten Fässern und bewahrte es an einem sicheren und
völlig trockenen Ort, in sogenannten
Pulvermagazinen oder Pulvertürmen, auf.
Die aus dem
Kriegswesen bekannte Sprengwirkung des "Krauts" Schwarzpulvers
wurde erstmals für zivile Zwecke in Tirol angewandt, beim Ausbau des Kuntersweges im Eisacktal zu
einer Fahrstraße, der 1481 begonnen wurde. Die Verwendung von
Schießpulver im Montanwesen ließ auf sich warten, weil die
Auswirkungen einer Sprengung unter Tage zunächst einfach nicht zu
kontrollieren waren. Mit der bergmännischen Schießarbeit wurde
erst 1617 im niederungarischen Schemnitz -
angeblich durch den Tiroler Bergmann Caspar Weindl
- und ein ]ahr später in St, Lamprecht in der
Steiermark begonnen.
Die
Einführung rauchschwacher Schießpulver aus Schießbaumwolle
(Nitrocellulose) oder aus Schießbaumwolle mit Nitroglyzerin
(Sprengöl), verbesserte Verfahren und die Entdeckung des Dynamits durch
Alfred Nobel (1867) ließen eine Sprengstoffindustrie entstehen, mit der
kleine und mittlere Pulvermühlen nicht mehr mithalten konnten.
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